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Es fehlt: Nachhaltigkeit. Das Schweigen der Schweizer Grossevents.


Für meine «Best Practice» Serie auf Instagram suche ich jeweils nach Paradebeispielen für nachhaltiges Eventmanagement. Infos sind zum Glück schnell gefunden, schliesslich liegen Green Events im Trend und Veranstalter auf der ganzen Welt versuchen mit viel Kreativität umweltfreundlicher zu werden. Vom Neujahrsfeuerwerk in Sydney bis zum US Open in New York, Eventmanager tun gutes und sprechen darüber. Ausser in der Schweiz.


Hier fehlt: Nachhaltigkeit.


Silvesterzauber, Fasnacht, Streetparade, Zürifäscht, Openair Festivals – sie alle haben etwas gemeinsam: auf ihren Webseiten findet man spärliche Informationen darüber, wie umweltfreundlich die jeweiligen Veranstalter agieren und welche Massnahmen ergriffen werden um nachrichtentaugliche Themen wie Plastikmüll und Food Waste zu reduzieren. Das ist nicht falsch, aber schade.


Schliesslich fehlt Nachhaltigkeit in der Schweiz nur im übertragenen Sinn.


Die Schweiz ist eines der saubersten Länder der Welt, mit topmodernen Recyclinganlagen und Müllabfuhren, die im Dämmerlicht des Morgengrauens jegliche Spuren der partyfreudigen Verwüstung in Windeseile beseitigen. Aus den Augen aus dem Sinn? Nicht ganz. Nach der letzten Streetparade habe ich mein Zugabteil mit zwei jungen Australiern geteilt die erstaunt erzählt haben, wie Besucher Becher, Besteck und sonstigen Abfall auf der Hauptroute der Parade achtlos auf den Boden geworfen haben. In Australien? An einer Grossveranstaltung? Undenkbar! Deshalb ist die Frage berechtigt was zuerst da war: die teure Strassenreinigung oder die Selbstverständlichkeit der Schweizer, an Grossanlässen Müll auf den Boden zu werfen, weil am nächsten Morgen sowieso wieder alles blitzblank ist. Ein Teufelskreis, den es zu stoppen lohnt, denn Datensätze aus Übersee zeigen, wie einfach sich Abfall verringern lässt, wenn man mit den Besuchern Hand in Hand zusammenarbeitet. Recyclingtonnen, Schilder, Infos auf der Website. Es braucht am Anfang nicht viel.


Warum also fehlen solche «grüne» Initiativen in der Schweizer Eventbranche?


Ein Blick in andere Kantone zeigt, dass das Schweigen der Schweizer Grossveranstalter ein nationales Phänomen ist. Auch auf der offiziellen Internetseite der Basler Fasnacht (wir erinnern uns: Basel hat vor ein paar Wochen den Klimanotstand ausgerufen) findet man zum Thema Nachhaltigkeit einen Beitrag über den schwindenden Clique-Nachwuchs. Sonst? Nichts. In Luzern sieht es ähnlich aus. 290 Strassenreiniger stehen in Basel 3 Tage im Dauereinsatz, Nachwehen in Form von verstopften Kanaldeckeln werden so minimiert. Könnte das der Grund sein, warum Schweizer Grossveranstaltungen das Thema Nachhaltigkeit umschiffen? Weil es auch ohne PR Massnahmen läuft wie geschmiert? Nicht ganz.


Ein Argument für mehr Umwelt-Kommunikation liefern die Jungspunde der Schweizer Eventbranche: Die Openair Festivals.


Jeden Sommer geistern Bilder von verwüsteten Zeltplätzen durch die Schweizer Medienlandschaft. Die Jungen, so heisst es, seien die Fähnchenführer der ignoranten Wegwerfgesellschaft, die eine komplette Zeltausrüstung für wenig Geld kaufen und sie dann achtlos zurücklassen. Die Frage ist erlaubt: würde man der Generation Klimastreik anschaulich erklären, warum sie ihr Zelt am Ende der Veranstaltung wieder mitnehmen sollen – würden sie es tun? Vielleicht fehlt den Jungen ganz einfach der Zusammenhang zwischen «Kampf gegen den Klimawandel» und «Partyweekend mit Freunden». Wie kann man diese Wissenslücke füllen? Mit Informationen auf der jeweiligen Festivalwebsite und Schilder auf Platz. Dasselbe gilt für die «Depot-Kultur». Seit ein paar Jahren werden Depots auf Flaschen, Besteck und Becher erhoben. Wiederanstehen, nur um einen Becher zu retournieren, macht keinen Spass – hilft aber, Müll zu reduzieren und die Umwelt zu entlasten. Mit ein paar Infotafeln vor Ort und auf der Website würde man genervten Miesepetern schnell den Wind aus den erbosten Segeln nehmen.


Dass man mit dieser Methode Erfolge hat beweist das Openair St. Gallen.

Das Kultfestival im Sittertobel versucht seit Jahren umweltfreundlicher zu feiern. Eine ganze Onlineseite widmet das OA St. Gallen dem Thema Nachhaltigkeit – mit Erfolg! Seit der Einführung eines Depots werden 83% der Zelte und 93% der Mehrwegbecher zurückgebracht. Eine Partnerschaft mit der SBB hat dazu geführt, dass 83% der Festivalbesucher mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreist – vor 10 Jahren waren es noch 47%. Die Seite ist gefüllt mit Erfolgsgeschichten und Ratschlägen. Somit hat das St. Galler Openair die Nase in Sachen nachhaltiges Eventmanagement vorn. Oder auch nicht. Schwer zu sagen, die anderen Festivals hüllen sich in Schweigen. Das ist schade, schliesslich wären Erfolgsgeschichten (oder auf Neudeutsch: Best Practice) vor allem für junge Nachwuchsfestival pures Gold, was uns zum nächsten Argument für eine offene und ausführliche Nachhaltigkeits-Kommunikation führt:

Informationen über einzelne Nachhaltigkeitsmassnahmen helfen der gesamten Eventbranche Schweiz.


Nachhaltiges Eventmanagement steht und fällt nicht mit einem ausgeklügelten Abfallkonzept. Um der Natur wirklich einen Gefallen zu tun braucht es innovatives Denken in allen Bereichen, zum Beispiel beim Besuchertransport, der Auswahl der Aussteller, der Infrastruktur und dem Stromlieferanten. Eventmanagement für Grossanlässe ist ein komplexer Vorgang und Nachwuchstalente sind auf Ratschläge und Daten von Profis angewiesen. Nur schon deshalb wäre es für die florierende Eventbranche Schweiz ein wichtiger und richtiger Schritt, mehr über das Trendthema Nachhaltigkeit zu berichten. Tue Gutes, werte Daten aus – und teile es. Die gutbürgerliche Schweizer Bescheidenheit ist hier fehl am Platz. Oder liegt am Ende der Hase doch ganz woanders begraben?


Kommunizieren Schweizer Grossanlässe nicht ausführlicher über das Thema Nachhaltigkeit weil es nichts zu berichten gibt?


Ein Schelm wer Böses denkt und in dubio pro reo, aber ein bitterer Beigeschmack bleibt. Muss man annehmen, dass sich, allen Unkenrufen zum Trotz, die Nachhaltigkeitsbemühungen der Schweizer Eventbranche auf ein Minimum beschränken, während ihre Hauptzielgruppe wöchentlich für ein besseres Klima streikt? Das wäre aus mehreren Gründen suboptimal. Erstens würde es bedeuten, dass die Schweiz einen Trend verschlafen hat. Green Events reichen vom plastikfreien Glastonbury Festival bis zum übergrünen Münchner Oktoberfest und sind in! Zweitens wird eine finanzielle Chance verpasst.


Millennials und Generation Z’ers sind durchaus gewillt, mehr für Produkte zu zahlen, wenn sie nachhaltig sind.


Ausgerechnet die Generation welche in regelmässigen Abständen des Mordes an wild zusammengewürfelten Alltagsgegenständen bezichtigt wird (Millennials töten unter anderem die Weichspülindustrie, Mayonnaiseproduzenten und Papierserviettenhersteller) verhilft nachhaltigen Unternehmen zu Ruhm, Ehre und gut gefüllten Bankkonten. Nur schon deshalb wäre es auch ein finanzieller Anreiz, in der Eventbranche Schweiz öffentlich über das Thema Nachhaltigkeit zu sprechen und aktiv mit Ideen aufzuwarten, Festivals und Grossanlässe umweltfreundlicher zu gestalten. Grüne Innovationen die der Zielgruppe entsprechen lassen Ticketkassen klingeln. Es ist alles eine Frage der Kommunikation. Schliesslich bleibt die Frage:


Was hätten Grossanlässe mit umweltfreundlichen Massnahmen zu verlieren?


Nichts. Es gäbe jedoch viel zu gewinnen! Green Events steigern das Image, die PR schreibt sich fast von alleine, die Aufmerksamkeit der Medien ist garantiert und Festivals mit nachhaltiger Planung zeigen sich in bester globaler Gesellschaft. Für Besucher gibt es ebenfalls nur Vorteile: Durch Müllberge waten macht auch angesäuselter Kundschaft keine Freude und ist es für offene Sommerschuhe ein nicht zu unterschätzendes Sicherheitsrisiko. Plastik fühlt sich haptisch längst nicht mehr wertig an und in einer Zeit, wo vor allem jüngere Generationen aufgefordert werden, Teil der Lösung und nicht Teil des Problems zu sein bleiben umweltfreundliche Erfahrungen länger in positiver Erinnerung. Genau hier ist Kommunikation der Schlüssel zum Erfolg: Green Events sind ein Zusammenspiel zwischen nachhaltigen Eventlösungen und dem Willen der Besucher, mit anzupacken. Vor allem bei Grossveranstaltungen ist es wichtig, den Gästen sympathisch und anschaulich zu vermitteln, dass Feiern auch ohne Umweltbelastung Spass macht. Und das ist ja am Ende irgendwie das Kerngeschäft von Events: bleibende, positive Erinnerungen schaffen.


Das Thema «Nachhaltigkeit trifft Grossanlass» ist zu breit für einen einzigen Blogbeitrag. Deshalb werden wir in den nächsten Wochen auf einzelne hier angesprochene Themen nochmals im Detail eingehen – und bis dann hoffentlich ganz viele Schweizer Best Practice Beiträge auf Instagram teilen können!


Bist Du Mitglied in einem Festival OK und möchtest Du Nachhaltigkeitsziele bestimmen, umsetzen, auswerten und flächendeckend promoten? Dann hohl The Green Event Planner ins Boot. Als lokaler Event Sustainability Consultant stehen wir Euch mit Rat und Tat zur Seite.

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