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Hoselupf & Klimaschutz: das #ESAF in Zeiten der Nachhaltigkeit

Aktualisiert: 26. Aug. 2019



Schwingen. Diese Schweizer Traditionssportart die ich schon so häufig ausländischen Freunden erklären musste und trotzdem immer wieder daran scheitere («Zwei Männer ziehen sich an den Hosen durchs Sägemehl bis einer auf dem Rücken liegt und dann gewinnt man eine Kuh.»). Das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest (oder kurz und hashtag-tauglich: ESAF) gehört für mich zu einer der faszinierendsten Grossveranstaltungen der letzten Jahrzehnte. Kein anderes Fest hat sich in den letzten Jahren so galant von einem eher belächelten Bauernevent zu einer hippen Grossveranstaltung der Superlative gemausert wie das Schwingfest.


Das schon fast in Vergessenheit geratene Sportwochenende rund um den Hosenlupf erfand sich vor ein paar Jahren komplett neu, deshalb erstaunt es wenig, dass ausgerechnet am ESAF der globale Festivaltrend der Stunde tatkräftig mitschwingt: der Klimaschutz.

Wie aber bleibt man an einer Grossveranstaltung mit weit über 300'000 Gästen so umweltbewusst wie möglich? Wir machten uns auf Spurensuche – und durften der Stabstelle Nachhaltigkeit exklusiv auf die Finger schauen.


Umweltschutz als roter Faden


Vom Bahnhof Zug geht es in wenigen Gehminuten zum Schwingfest. Das Festgelände ist einfach zu finden, man folgt einfach den strategisch platzierten Recyclingtonnen, die einem bereits vor dem offiziellen Festeingang überall begegnen. Was auffällt: die Schwingarena sowie das Festivalgelände sind mitten in der Stadt. Eine strategische Entscheidung, schliesslich sind Besucher eher gewillt mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen wenn der Austragungsort einfach und unkompliziert erreichbar ist.


Überhaupt zieht sich der Klimaschutz wie ein unaufdringlicher roter Faden durch das ganze Gelände: überall stehen Trenneimer, Infotafeln und Depotstände. Anstehen musste man am Nachmittag noch nicht und der Franken Depot kann unkompliziert an den Umweltschutz weitergespendet werden. Auf Jetons wird verzichtet, wer eine herrenlose Flasche entdeckt und zurückbringt macht vorwärts. Die Suche könnte sich allerdings schwierig gestalten: zusammen mit MyClimate, Sponsor und Partner des Schwingfests, stehen rund um die Uhr unzählige Helfer bereit die den Abfall einsammeln. Die Strategie zahlt sich aus: das ganze Areal wirkt so sauber und aufgeräumt, da getraut man sich schlicht nicht, seinen Müll einfach auf den Boden zu schmeissen.


Die Depotstände wurden am Samstagnachmittag so rege besucht, die Bierkästen gingen aus: Sponsor Feldschlösschen musste für Nachschub sorgen. Alle Partner und Stände wurden indes eng in den Klimaschutz mit einbezogen. Vertraglich wurde vereinbart, Essen soweit möglich aus der Region zu beziehen und ausschliesslich biologisch abbaubares Besteck und Teller zu verwenden. Wie kamen die neuen Regeln bei Partner und Sponsoren an? Nicht schlecht, meint Silvan Durscher, Vize-Chef des Nachhaltigkeitsteams am ESAF. Am Anfang hätten ein paar gemeckert, mitgeholfen hätten schlussendlich aber alle. Sowieso soll man Stände und Besucher tatkräftig mit einbeziehen. Informieren, auffordern, belohnen. So bleiben negative Reaktionen weitgehend aus.


Zusammen ist man stärker


Mit Appalooza und MyClimate hat sich das ESAF zudem zwei erfahrene Eventpartner ins Boot geholt. Appalooza hat dieses Jahr bereits das Gurtenfestival «begrünt» und MyClimate stand der Stabstelle Nachhaltigkeit am Schwingfest mit Rat und Tat zur Seite. Der Wunsch nach einem umweltbewussten Umgang mit Ressourcen kam übrigens von ganz oben: dem Schwingerverband selber. Was das Organisationskomitee in Zug daraus gemacht hat ist wie aus dem Lehrbuch für nachhaltiges Eventmanagement. Neben Depotständen wurde ein ganzes Recyclingareal aus dem Boden gestampft. Wir durften kurz vorbeischauen – es gab viel zu tun, schliesslich werden Flaschen, die es nicht bis zum Depotstand geschafft haben, spätestens hier korrekt recycelt. Auch Karton, Holz, PET und Plastik wird noch auf Platz getrennt und korrekt entsorgt, wobei die Müllabfuhr ebenfalls nach dem Bring-Prinzip arbeitet: Stände werden aufgefordert, Ihren Müll regelmässig vorbei zu bringen oder korrekt zu bündeln, damit er abgeholt werden kann.


Ebenfalls recycelt werden 80% der Plachen, die das Festival an beiden Seiten schmücken: sie werden von der Zuger Firma GGZ@Work zu Taschen und Mappen vernäht. Das Sägemehl wird zu Biogas und Fernwärme und die beanspruchte Landwirtschaftsfläche wird aufgewertet zurückgegeben.


Recycling, strategische Auswahl des Austragungsortes und kostspielige Klimakompensation über MyClimate. Zugegeben, bis jetzt hat das Schwingfest andere nachhaltige Festivals in der Schweiz noch nicht ausgestochen. Es wird also Zeit für den finalen Hosenlupf: die Kommunikation!


Tue Gutes und sprich darüber


Viele Festivals bemühen sich, die Umwelt zu entlasten. Darüber geredet wird zumindest in der Schweiz noch eher selten. Ganz anders das ESAF: hier wurde zu Beginn weg eine Kommunikationsstrategie entwickelt. Von der Medienmitteilung bis zur Website, die Besucher werden laufend informiert und die Stabstelle Nachhaltigkeit wurde regelrecht von Interviewanfragen überrannt. Das Interesse war riesig, die PR für das Schwingfest gratis und andere Festivals werden motiviert, ebenfalls auf den grünen Zug aufzuspringen. Hier muss dem Schwingfest ein riesiger Kranz gewunden werden.


Wie geht’s weiter? Das nächste ESAF findet 2022 in Pratteln statt. Das Organisationsteam hat sich ebenfalls interessiert auf dem Gelände umgesehen und es bleibt zu hoffen dass sie in drei Jahren die Arbeit des ESAF Zug weiterführen: mit einer durch und durch soliden und durchdachten Nachhaltigkeitsstrategie, die in der Schweiz hoffentlich schon bald zum Festivalstandart gehört.

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